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Patienten der Ruhrlandklinik besteigen höchsten Berg Nordafrikas

Gipfelstürmer mit transplantierter Lunge – es geht hoch hinaus

Quelle: Birgit Reiter / MedUni Wien

4.167 Meter ist der Jebel Toubkal in Marokko hoch – eine Höhe mit dünner Luft, bei der viele gesunde Menschen auf eine Bergtour verzichten würden. Michael Raser zögert jedoch keine Sekunde, als er gefragt wird, ob er mitmachen möchte. Eine solche Tour wäre ohne ärztliche Begleitung für den 35-jährigen undenkbar. Er leidet seit seiner Kindheit an Mukoviszidose. Vor dreieinhalb Jahren war sein Zustand so bedrohlich, dass er auf die Transplantationsliste kam und wenige Tage später seine neue Lunge hatte. Die Chance, damit den größten Berg Nordafrikas zu erklimmen, wollte er sich nicht entgehen lassen. Auch Jan Klatt, ebenfalls Patient des Westdeutschen Zentrums für Lungentransplantation und seit 1,5 Jahren mit neuer Lunge, entschied sich für den Aufstieg. Begleitet wurden die beiden von 12 weiteren Patienten aus sechs verschiedenen Ländern sowie einem Team aus 36 Ärzten, Wissenschaftlern und Pflegekräften der Universitätsmedizin Essen, der Medizinischen Universität Wien, die die Tour federführend organisierten und der Semmelweis Universität Budapest.

Zeltlager zwischen den Bergen. Quelle: Birgit Reiter / MedUni Wien

„Es ist ein europäisches Projekt der Lungentransplantationszentren, um gemeinschaftlich zu zeigen, wie gut die Ergebnisse der Transplantation heute sind und zu welchen Leistungen die Patienten in der Lage sind“, erklärt Professor Clemens Aigner, Direktor der Klinik für Thoraxchirurgie der Ruhrlandklinik. Er betreute die Patienten auf der Tour mit drei weiteren Ärzten des Westdeutschen Zentrums für Lungentransplantation: Dr. Vasiliki Besa, Oberärztin der Klinik für Pneumologie, PD Dr. Achim Koch, Oberarzt der Abteilung für Thorakale Transplantation und Dr. Alexis Slama, Thoraxchirurg der Ruhrlandklinik.

Michael Raser und Jan Klatt waren dabei keine Zufalls-Teilnehmer. „Wir haben im Vorfeld sorgfältig auswählt, wer sich für die Tour eignen könnte und beide mussten zusätzlich in den letzten Monaten ihr körperliches Training deutlich steigern“, so Dr. Vasiliki Besa. Für die Oberärztin geht es selbst zum ersten Mal auf einen so hohen Berg. Doch ihr Ziel hat sie klar vor Augen: mehr Aufmerksamkeit für die Organspende bekommen. „Es passiert viel zu oft, dass Patienten auf der Warteliste versterben müssen, weil es nicht genug Organe gibt. Ich hoffe einfach, dass wir damit zeigen können, was eine neue Lunge für einen erkrankten Menschen bedeuten kann“, so Besa.

Michael Raser bei der Untersuchung.  Quelle: Birgit Reiter / MedUni Wien

Damit der Körper durch den Aufstieg nicht zu stark belastet wird, werden die Patienten jeden Tag untersucht, verschiedene Tests gemacht und die Blutwerte gemessen, auch zu wissenschaftlichen Zwecken. Am zweiten Tag macht sich bereits Michaels Knie bemerkbar – eine alte Sportverletzung. Doch die gängigen Schmerzmittel darf er nicht nehmen. „Die Immunsuppressiva, die transplantierte Patienten jeden Tag nehmen müssen, sind nierenschädigend“, erklärt Besa. Durch die Anstrengung steigen die Nierenwerte an; die Medikation wird über den siebentägigen Verlauf der Tour immer wieder angepasst. Auch für Jan wird es zunehmend härter. Am vorletzten Tag ist er nicht sicher, ob er es schafft. Doch beide wollen nach 81 Kilometern Strecke auf den Gipfel.

Die Teilnehmer der Universitätsmedizin Essen: (v.l.n.r.) Prof. Clemens Aigner, PD Dr. Achim Koch, Dr. Vasiliki Besa, Jan Klatt, Dr. Alexis Slama, Michael Raser (unten). Quelle: Birgit Reiter / MedUni Wien

45 Minuten brauchen die Teilnehmer für die letzten 150 Meter des Aufstiegs – so anstrengend ist die Bewegung durch die dünne Luft. Oben angekommen, sind sie sprachlos. „Der Ausblick war das Schönste, was ich in meinem Leben je gesehen hab“, erzählt Michael. „Es war keine einzige Wolke am Himmel und wir konnten kilometerweit sehen.“ Auch die Ärzte sind begeistert, dass alles so gut geklappt hat – und vor allem stolz auf ihre Patienten: „Ich begleite die beiden schon seit der Zeit vor der Transplantation und es ist für mich eine große Ehre mit den Beiden diese anspruchsvolle Tour zu machen. Das Gefühl auf dem Gipfel mit dem Wissen, wie viel meine Patienten geleistet haben, war einfach unbeschreiblich“, erklärt Oberärztin Besa. Thoraxchirurg Dr. Alexis Slama ergänzt: „Das Wichtigste war für uns, dass Michael und Jan es wohlbehalten bis nach oben schaffen. Damit setzen wir ein deutliches Zeichen.“ Für 2021 ist bereits die nächste Bergtour der kooperierenden Zentren in Planung.